Am Platzenberg 20

Holländer (vorne) und Kollergang

Schöpfwerk mit Zylinderkasten, Filzband und Formatwalze

Pappenpresswerk

Die Bilder zeigen Einrichtungen der Kräutermühle zur Herstellung von Pappdeckeln (Kollergang und Holländer, Formatwalze). Die Einrichtungen wurden nach Einstellung der Produktion 1976 in den 80er Jahren vom Vortaunusmuseum erworben. Im Kollergang wurden Altpapier grob zerkleinert. Der sogenannte „Stoff“ kam dann in den Holländer und lief als wässriger Brei ständig im Kreis. Dabei zerfaserte die mit Messern besetzte Walze den Brei immer feiner, bis der Stoff zur Herstellung der Pappe auf der Formatwalze fein genug war. Danach schöpfte man den Stoff auf eine Walze mit Fasersieb. Ein Filzband beförderte die Auflage zur Formatwalze, wo die Pappe die gewünschte Größe erhielt. Mehrere Lagen führten zu dickerer Pappe. Danach wurde die Pappe gepresst, getrocknet, gelättet und geschnitten. Pappdeckelmühlen hatten häufig Scheunen mit Lufteinlässen in den Dächern, um einen Luftaustausch zur besseren Trocknung zu gewährleisten. Manche Mühlen hatten lange offene Scheunen, in denen die Pappdeckel an Klammern aufgehängt wurden, die man heute in den Gerätescheunen einiger Oberstedter Mühlen noch sehen kann. Im Sommer trocknete man die Pappdeckel auch auf der Wiese. Aus der in Oberstedten erzeugten Graupappe wurden z.B. Verpackungs- und Lagerkartons hergestellt, aber auch in einer Schuhfabrik Zwischen- und Innensohlen für preisgünstige Schuhe.

 

Der Name der Kräutermühle hat wahrscheinlich nichts mit dem Mahlen von Kräutern zu tun, sondern ist durch den Flurnamen „Im Kräuter“ zu erklären. Hier gab es außerhalb des Dorfes auf gut feuchtem Grund viele Gemüsegärten der Bauern. Weit entfernt vom Wohnhaus bauten sie Gemüsearten an, die nur wenig Pflege benötigten.
Schon seit 1750 wird an diesem Platz eine Walkmühle erwähnt. In Walkmühlen wurden Gewebe und gewirkte Stoffe oder Strümpfe durch Stoßen, Strecken und Pressen gereinigt und an der Oberfläche verfilzt, um sie dichter und geschmeidiger zu machen. Auch Weißgerber nutzten Walkmühlen für die Bearbeitung von feinem Leder.
Auch wenn es Hinweise dafür gibt, ist es nicht eindeutig belegbar, dass die eng neben der Kräutermühle liegende Rentmeistermühle älter und die 1750 in Schriften erwähnte Walkmühle ist. Die Geschichte der Kräutermühle ist ab 1824 eindeutig zuzuordnen.

1806  
Die Strumpffabrik Schudt & Co. ersteigert eine hier liegende alte Walkmühle und verkauft 1824 aber zwei Mühlen. In diesen 18 Jahren muss eine zweite Mühle erbaut worden sein, wobei nicht nachweisbar ist, ob es die Kräutermühle oder die Rentmeistermühle war.

1824 
Schudt verkauft die Kräutermühle an Wilhelm Hein, der sie aber anfangs als Mehlmühle einrichtet und betreibt. Gleichzeitig wird die Rentmeistermühle an den Bruder Philipp Sebastian Hein verkauft.

1840
Wilhelm Hein wandelt die Mühle in eine Pappdeckelmühle um. Zur gleichen Zeit wird von seinem Bruder auch die benachbarte Rentmeistermühle auf die Produktion von Pappe umgerüstet.

 1874
Gottlieb Bender kauft die Mühle und erzeugt weiterhin Pappdeckel. Die Tagesproduktion erbringt 250 kg getrocknete Pappe.

1976
Die Herstellung von Pappdeckeln wird eingestellt. Die Familie Bender und ihre Nachfahren besitzen die Mühle bis heute.

 

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